Elektromobil Chassis-Optimierung unter Berücksichtigung der Betriebsfestigkeit nach FKM-Richtlinie

| Technischer Artikel

Im Rahmen dieser Arbeit wurde das Chassis eines bereits existierenden Krankenfahrstuhls der Firma Merlin-Mobil UG hinsichtlich des Gewichtes und der Zuladung optimiert, basierend auf FEM-Analysen und Auswertung der Betriebsfestigkeit nach Maßgabe der FKM-Richtlinie.

In diesem Artikel wird dargestellt, wie mit der Software S-Life FKM von PART Engineering auf einfache Weise und unter Zuhilfenahme der FEM ein Elektromobil-Chassis sowohl hinsichtlich Form, Material und Gewicht als auch Belastbarkeit nach FKM-Richtlinie ausgelegt und optimiert werden kann. Mit Blick auf adipöse Anwender sollte der Krankenfahrstuhl einerseits so modifiziert werden, dass seine maximale Zuladung von 150 kg auf 200 kg erhöht werden kann. Auf der anderen Seite wurde das Ziel verfolgt, das Gesamtgewicht des Fahrzeuges im Zusammenspiel mit anderen Optimierungen von 87 kg auf maximal 65 kg zu reduzieren, damit ein Transport auf einer handelsüblichen PKW-Anhängerkupplung ermöglicht wird.

Lastfallermittlung und Analyse des aktuellen Chassis

In einem ersten Schritt wurde ermittelt, welche Beschleunigungen und wirkenden Kräfte im Falle einer Bordsteinüberfahrt mit der Maximalgeschwindigkeit von 15 km/h und einer Fahrt über grob ausgelegtes Kopfsteinpflaster anzunehmen sind. Letzterer Lastfall diente hierbei primär als Grundlage der Betriebsfestigkeitsanalyse, wobei eine Zuladung von bis zu 200 kg berücksichtigt wurde.

Basierend auf diesen Lastannahmen wurde anschließend der aktuelle, in Bild 2 gezeigte Rahmen hinsichtlich der statisch anzutreffenden Spannungen und Sicherheitsfaktoren analysiert. Da die aktuelle Version des Krankenfahrstuhls bereits mehrjährig im Einsatz ist, folglich dessen Betriebsfestigkeit als erwiesen galt, war der neue Rahmen zunächst so auszulegen, dass die resultierenden Sicherheitsfaktoren mindestens den vorermittelten entsprechen.

Entwicklung eines neuen Rahmenkonzeptes

Die Ausgestaltung einer optimierten Rahmenvariante basierte auf den Ergebnissen einer software-gestützten Formoptimierungsanalyse und resultierte letztlich in einem Rahmen bestehend aus Aluminium-Hohlprofilen der Abmessungen 50 x 25 x 1,5 mm, welcher in kritischen Bereichen durch Einlegeprofile verstärkt wurde und entweder als ausschließliche Schweißkonstruktion oder überwiegende Biegekonstruktion umgesetzt werden kann (Bild 3). Bei beiden Varianten konnte beobachtet werden, dass die maximalen Spannungen in dem in Bild 3 markierten Bereich liegen. Nachdem der statische Festigkeitsnachweis erbracht war, wurde daher insbesondere diese Region hinsichtlich der Betriebsfestigkeit untersucht.

Praktischer Einsatz von S-Life FKM im Kontext der Rahmenoptimierung

Entsprechend der Handhabung von S-Life FKM konnte u.a. auch der in Bild 3 gezeigte Rahmen untersucht werden (Bild 4). Konkret wurde untersucht, ob ein positiver Betriebsfestigkeitsnachweis resultiert, wenn das Hinsetzen und Aufstehen einer 200 kg schweren Person simuliert wird. Hierfür war dementsprechend nur ein Lastfall zu berücksichtigen, welcher mit einem Spannungsverhältnis von R = 0 in die Berechnungen einging.

Zusätzlich wurde sowohl für 150 kg als auch 200 kg Zuladung eine Fahrt über Kopfsteinpflaster untersucht.

Auch wenn „Spannungen aus Sonderereignissen oder Missbrauch“, wie bei der frontalen Bordsteinüberfahrt mit Maximalgeschwindigkeit der Fall, gem. FKM-Richtlinie lediglich im statischen Festigkeitsnachweis zu berücksichtigen sind, wurde auch für diese einer Betriebsfestigkeitsuntersuchung durchgeführt.

Ergebnisse

Im Folgenden wurden für die einzelnen Lastfälle Ergebnisse der Dauerfestigkeitsuntersuchung (N=106) generiert, welche sich, wie in Bild 5 gezeigt, präsentierten. Auch wenn vor dem Hintergrund des verwendeten Werkstoffes tatsächlich die Grenzspannungsamplitude (N=108) maßgebend ist, wurden aus Gründen der Vollständigkeit auch die Dauerfestigkeiten berücksichtigt.

Dort, wo der zyklische Auslastungsgrad höher als 1 (=100%) war, also die Dauerfestigkeit nicht gegeben war, wurde mittels der Nachweismethode „Zeitfestigkeit“ untersucht, wie viele Zyklen toleriert werden können. Dies war erwartungsgemäß bei der frontalen Bordsteinüberfahrt der Fall, da es sich hier um Einzelfälle mit massiven Spannungsspitzen handelt, welche üblicherweise nur einem statischen Festigkeitsnachweis unterliegen.

Es konnte ermittelt werden, dass der Rahmen alle üblichen Kriterien der Dauerfestigkeit erfüllt. Es werden auch durch beliebig häufiges Hinsetzen einer 200 kg schweren Person somit keine Ermüdungserscheinungen erwartet.

Hinsichtlich der frontalen Überfahrt über einen Bordstein mit Maximalgeschwindigkeit wurde erkannt, dass im Falle einer 50 kg schweren Person, entsprechend der Grenzspannungsamplitude, auch nach 108 Zyklen kein zyklisches Versagen zu erwarten ist. Im Falle einer Zuladung von 150 kg, können bis zu 1 Mio. Überfahrten schadenfrei durchgeführt werden; bei einer Zuladung von 200 kg reduziert sich die Anzahl, entsprechend der Zeitfestigkeit auf N = 725.000.

Fazit

Insgesamt konnte die Software S-Life FKM bei der Untersuchung der Betriebsfestigkeit erfolgreich eingesetzt werden. Durch den Einsatz der Software konnten Berechnungsfehler bei Anwendung der ausführlichen und im Detail komplexen FKM-Richtlinie vermieden werden. Zusätzlich hat es S-Life FKM ermöglicht es zeiteffizient eine jeden Bauteilknoten abdeckende Analyse durchzuführen, wohingegen eine manuelle Anwendung der FKM-Richtlinie nur zu punktuellen Stichprobenberechnungen führen würde.

Autor: Timm Piper, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung, Konstanz

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