Lastkollektive in S-Life

Erstellt von Dr. Marcus Stojek | | Technischer Artikel

Für die Beschreibung von Lastsituationen mit wechselnden Amplituden können im FKM-Nachweis sogenannte Kollektive verwendet werden. Was es damit auf sich hat, beschreibt dieser Beitrag.

Motivation
Im einfachsten Fall des zyklischen Festigkeitsnachweises wirkt auf das Bauteil eine zeitlich wechselnde Last, die mit konstanter Amplitude um eine konstante Mittellast schwingt. Unter der Voraussetzung eines vollständig linearen Problems wird in der FEM-Simulation üblicherweise eine Extremlage der Last abgebildet, die lokalen Beanspruchungen für die andere Extremlage können über das vorzugebende Lastverhältnis R (wechselnd, schwellend, etc.) berechnet werden. Mit den so ermittelten Spannungsamplituden und Mittelspannungen wird dann der zyklische Nachweis durchgeführt.

In der realen Anwendung sind aber Amplituden und Mittelspannungen häufig nicht konstant, sondern wechseln über der Lebensdauer des Bauteils. Gründe können z.B. unterschiedliche Betriebszustände sein (Beladung, Förderdruck, Notlauf, Leerlauf,…), geänderte Randbedingungen (Streckenverlauf, Last durch Wind und Wellen, etc.)(siehe Bild 1) oder einfach zeitlich veränderliche Lasten. Um diesen Effekt quantitativ zu beschreiben und anschließend im Nachweis zu verarbeiten, werden Lastkollektive verwendet.

Ein (Last-)Kollektiv gibt dabei an, wie häufig eine bestimmte Lasthöhe im betrachteten Zeitabschnitt auftritt. Die Lasthöhen werden dabei üblicherweise in disktreten Laststufen gesammelt (klassiert) und auf den Maximalwert normiert. Die entsprechende Struktursimulation für einen zyklischen Nachweis wird dann für die höchste auftretende Last durchgeführt, die Beanspruchungen für andere Kollektivstufen können durch Skalierung ermittelt werden.

Um mit Lastkollektiven zu arbeiten, muss der Anwender sich mit drei Themenbereichen beschäftigen, die im folgenden kurz beschrieben werden sollen:

•    Die Ermittlung von Kollektiven für die vorliegende Lastsituation.
•    Die Umsetzung der Lastsituation in der FE-Simulation
•    Die  Verwendung der ermittelten Lastkollektive im Festigkeitsnachweis

Kollektivermittlung
Grundsätzlich muss zur Ermittlung eines Lastkollektives das Auftreten bestimmter Lastsituationen gezählt werden. Üblicherweise werden die Zählergebnisse anschließend klassiert, um die Datenmenge zu reduzieren und der Berechnung zugänglich zu machen. Bild 2 (oben) zeigt einen angenommenen Lastverlauf. Als zu zählendes Ereignis könnte man zum Beispiel das Erreichen eines lokalen Lastmaximums definieren. Die horizontalen Linien im Diagramm stellen eine mögliche Klassierung dar, die Zahlen an den Lastpeaks dann die Zählung pro Klasse.

Für die dargestellte Vorgehensweise wäre das Zählergebnis allerdings unabhängig von der Höhe der jeweils unteren Extremstellen im Lastverlauf. Aus der Information „4 Lastspitzen in der Klasse x“ lassen sich damit keine Last- bzw. Spannungsamplituden oder die zugehörigen Mittelspannungen bestimmen. Dann sind zusätzliche Informationen über das Kollektiv erforderlich.

Die wahrscheinlich relevanteste Methode zur Auswertung ist das sogenannte Rainflow Counting, das geschlossene Lastzyklen im Lastverlauf zählt. Die Beschreibung der genauen Vorgehensweise würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Es sei auf die zahllosen Internet-Beiträge zu diesem Thema  verwiesen. Die Zählung kann einparametrisch erfolgen, dann werden nur Amplituden gezählt, oder zweiparametrisch, dann werden Amplituden pro Mittelspannung ausgewertet (Rainflow Matrix). Die einparametrische Zählung kann dann verwendet werden, wenn zusätzliche Annahmen über das Kollektiv getroffen werden können. Es kann sich zum Beispiel um ein Kollektiv mit konstanter Mittelspannung oder mit konstantem Spannungsverhältnis handeln.

In der FKM werden solche Amplitudenkollektive verwendet. Die Darstellung und Notation erfolgt dabei immer auf den Amplitudengrößtwert bezogen, also normiert auf 1 (siehe Bild 2, unten). Es wird die bezogene Amplitude über der Überschreitungshäufigkeit aufgetragen. Eine reine Sinuslast stellt sich in diesem Diagramm als Rechteck dar (Völligkeitsmaß v=1). Die Verwendung der Überschreitungshäufigkeit bedeutet, dass die Lastspielzahl für eine gegebene Amplitude immer auch die Lastspielzahlen aller niedrigeren Amplituden enthält. Anders ausgedrückt haben solche Kollektive immer einen streng monoton abnehmenden Verlauf.

Mit den sogenannten Normkollektiven bietet die FKM in parametrisierter Form eine Reihe von Lastkollektiven an. Es werden binomial verteilte und exponential verteilte Kollektive unterschieden. Als Parameter ist in beiden Fällen der Kollektivbeiwert p anzugeben. Für einen Wert von p=0 gehen beiden Kollektivformen in ein Einstufenkollektiv über.
Zusätzlich zu diesen Normkollektiven können in der neuen Version von S-Life auch anwenderspezifische Kollektive angelegt und im Nachweis verwendet werden (siehe Bild 3).

hi ist hier die beobachtete Anzahl der jeweiligen Lasthöhe, Hi der entsprechend kumulierte Wert, bzw. die sogenannte Überschreitungshäufigkeit für die Lasthöhe.
Um für ein gegebenes Amplitudenkollektiv einen Nachweis durchführen zu können, muss noch die Mittelspannung je Amplitude bekannt sein. Die FKM-Richtlinie geht davon aus, dass ein angegebenes Kollektiv ein Spannungsverhältniskollektiv ist, d.h. alle Amplituden das gleiche Spannungsverhältnis aufweisen. Andere Kollektivarten müssen für den Nachweis zunächst auf ein Spannungsverhältnis Kollektiv umgerechnet werden. Dies erfolgt in S-Life automatisch.

Anwendung in der Simulation
Das Konzept der Kollektivbehandlung im Nachweis geht davon aus, dass die Angabe der Beanspruchungshöhe für eine Kollektivstufe (üblicherweise die höchste) ausreicht, um die Beanspruchung für alle anderen Kollektivstufen ermitteln zu können. Anders ausgedrückt, müssen äußere Last und Beanspruchung am Nachweispunkt linear voneinander abhängen.

Es muss also linear-elastisches Materialverhalten vorausgesetzt werden, ebenso wie geometrische Linearität (kleine Verformungen). Weiterhin darf es im betrachteten Lastbereich nicht zu einem Wechsel von Kontaktbedingungen kommen, also zum Beispiel zu einem Anschlagen oder Abheben von Bauteilbereichen.

Zu beachten ist auch die Berücksichtigung von Vorlasten (z.B. Montage, Gewichtslast, Betriebsdruck, etc.) in Verbindung mit zyklischen Lasten. Hier sind die maximale Beanspruchung (aus statischer Vorlast + wechselnde Last) und die Beanspruchungsamplitude (nur aus der wechselnden Last) sorgfältig zu unterscheiden. Dies kann entweder bei der Formulierung der Lastfolge in der FE-Simulation erfolgen, oder mit den entsprechenden Einstellungen in S-Life (Vorlast abziehen, Peak-to-Peak Lastfälle).

Als letzter wichtiger Punkt sind dynamische Effekt zu bedenken. Eine Skalierung der Beanspruchung mit der Last ist nicht mehr möglich, wenn z.B. Resonanz- oder Trägheitseffekte eine Rolle spielen.

Verwendung im Nachweis
Zur Beschreibung der zyklischen Werkstofffestigkeit werden Wöhlerkurven verwendet. Diese werden in Versuchen an Einstufenkollektiven (Sinuslast) mit unterschiedlichen Mittelspannungen gemessen. Für ein Einstufenkollektiv kann die zur Amplitude gehörende Lebensdauer N in Lastzyklen am Schnittpunkt mit der Wöhlerkurve direkt auf der x-Achse abgelesen werden. Bei Mehrstufen-kollektiven wird dagegen ein sogenannter Schädigungs- oder Schadensakkumulationsansatz verwendet (z.B ein Verfahren nach Miner).

Bild 4 zeigt exemplarisch eine Wöhlerkurve und ein dreistufiges Amplitudenkollektiv mit insgesamt N-quer Lastzyklen. Ein Durchlauf der ersten Kollektivstufe mit n1 Zyklen führt hier noch nicht zum Versagen. Wie im Diagramm schematisch dargestellt, könnte die erste Kollektivstufe mehrfach wiederholt werden, bis die eingezeichnete Wöhlerkurve bei N1 Lastzyklen erreicht wird (logarithmische Skalierung der x-Achse beachten). Die Anzahl der möglichen Kollektivwiederholungen ist damit x = N1/n1 (ganzzahlig). Unter der Annahme einer über der Lastspielzahl linearen Schadensakkumulation kann dann bei x möglichen Wiederholungen der Stufe jedem einzelnen Durchlauf der Stufe ein Schädigungsanteil von 1/x = n1/N1 zugeordnet werden.

Für unterschiedliche Amplituden wird dieser Ablauf wiederholt und der jeweils ermittelte Schädigungsanteil aufaddiert bis der Grenzwert von 1 (Miner-Summe) erreicht ist. Die Bewertung der Kollektivstufen, die unterhalb der Dauerfestigkeit liegen und die Berücksichtigung von möglichen Vorschädigungen durch die einzelnen Kollektivstufen unterscheidet die verschiedenen Minerverfahren (Miner elementar, Miner konsequent, etc.)

Die Wöhlerkurven üblicherweise für eine rein wechselnde Belastung (R=-1) ermittelt werden, sind die nachzuweisenden Lastkollektive zur Anwendung der beschriebenen Vorgehensweise auf dieses Spannungsverhältnis umzurechnen. S-Life kann diese Umrechnungen für Mittelspannungskollektive im Nachweis automatisch durchführen.

Mit dem neuen LoadManager bietet S-Life eine komfortable Möglichkeit die für den jeweiligen Anwendungsfall relevanten Lastprofile im FKM-Nachweis zu berücksichtigen. Falls solche Kollektive selber ermittelt werden sollen, ist das verwendete Zählverfahren und die Art der Auswertung sorgfältig zu prüfen. Weiterhin ist darauf zu achten, dass die entsprechenden FE-Simulationen es erlauben die Beanspruchungsamplituden zu bestimmen, auch wenn statische Vorlasten auf das Bauteil wirken. Alle nachfolgenden Schritte werden von S-Life im Nachweis automatisch durchgeführt.

Autor
Dr. Marcus Stojek ist Geschäftsführer der PART Engineering GmbH, Bergisch Gladbach

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