Prozess- und Struktursimulation zusammenführen

Erkennen Sie frühzeitig Schwachstellen und andere Probleme Ihrer Bauteile durch die Verwendung ungenutzter Daten aus der Spritzgußsimulation.

Wenn im Umfeld der Auslegung von technischen Kunststoffbauteilen von integrativer Simulation die Rede ist, dann ist in der Regel die Berücksichtigung von lokalen Faserorientierungen gemeint. Auch wenn dies sicherlich ein wichtiger Aspekt für die rechnerische Auslegung ist, so liefert die Füllsimulation doch eine Reihe von zusätzlichen Informationen und Daten, die ebenso im weiteren Entwicklungsprozess berücksichtigt werden können und sollen. Die integrative Betrachtung des Fertigungsprozesses mit allen Einflüssen auf die Bauteil- und Werkzeugentwicklung bietet erheblichen Mehrwert bei vergleichsweise geringem Aufwand.

Lokale Werkstoffeigenschaften

Die Betrachtung der lokalen Beanspruchung (meist Spannungen) im Bauteil unter einer bestimmten Last ist die sicherlich jedem geläufige Vorgehensweise bei der Auswertung einer FEM-Simulation. Skaliert auf die zulässigen Spannungen aus dem Datenblatt weisen die „roten“ Bereiche auf kritische Regionen hin. Es sei denn, die zulässigen Spannungen wären an jedem Punkte des Bauteils anders…

Und genau dies ist häufig der Fall. So reduzieren zum Beispiel Bindenähte die lokale Bauteilfestigkeit erheblich (durch aus im Bereich von 50%). Ein FE-Modell, in dem die Position der Bindenähte nicht enthalten ist, kann diesen Effekt natürlich auch nicht abbilden. Die Folge ist, dass kritische Bereiche übersehen werden. Bild 1 zeigt das Simulationsergebnis eines Biegeversuches mit dem typischen Hot-Spot in der Bauteilmitte. Im Versuch tritt das Versagen jedoch an einem anderen Punkt auf, nämlich an der Bindenaht. Was hier an einem einfachen Beispiel noch als vermeidbar erscheint, wird bei komplexen Geometrien, Füllbildern und unterschiedlichen Lastfällen schnell unbeherrschbar. Mit unserem Tool Converse können die Bindenahtpositionen aus der Füllsimulation auf Knopfdruck in ein Strukturmodell übertragen und mit speziellen Materialeigenschaften versehen werden. So werden kritische Beanspruchungen in der Bindenaht bei der Auswertung direkt sichtbar.

Gleiches gilt für die richtungsabhängige Festigkeit von faserverstärkten Kunststoffen. Für weitere Informationen zu diesem Aspekt der integrativen Simulation sei hier auf die Dokumentation von Converse verwiesen. Unter anderem unterstützt unser Produkt S-Life Plastics Sie bei der Bewertung von Beanspruchungen in anisotropen Werkstoffen.

Bauteileigenschaften

Neben den werkstoffbezogenen Daten liefert die Füllsimulation aber auch Daten, die sich der Bauteilgeometrie zuordnen lassen. Offensichtlichstes Bespiel ist der Bauteilverzug. Immer dann, wenn ein spritzgegossenes Bauteil montiert oder verschweißt werden muss, führt die Abweichung von der Sollgeometrie zu zusätzlichen Kräften (und/oder Deformationen) im System. Gerade bei hochsteifen Werkstoffen (GF40+) kann es sehr ratsam sein, sich ein Bild vom resultierenden Kraftniveau zu verschaffen. Auch dazu kann mit Converse der Bauteilverzug auf das FE-Modell der CAD-Geometrie übertragen werden und die Montagesimulation mit dem verzogenen Bauteil durchgeführt werden. Bild 2 zeigt das Beispiel einer Ölwanne, die nach Montage und von Erwärmung bereits über 30% des Werkstoffpotenzial verbraucht hat.

Völlig andere Ursachen können Geometrieabweichung im Bauteil haben, wenn es um Einleger oder hinterspritzte Folien geht. Hier kann es zu bleibenden Maßabweichungen durch Verformungen infolge des Schmelzedrucks kommen. Der Druckverlauf durch die Schmelze auf solche Komponenten wird in der Füllsimulation aber ohnehin berechnet. Nach der Übertragung in ein entsprechendes Strukturmodell kann die Deformation der umspritzten Komponenten oder die Faltenbildung in Dekorelementen mit hoher Sicherheit vorhergesagt und durch unterschiedliche Maßnahmen abgestellt werden. Bild 3 zeigt ein solches Fehlerbild am Beispiel von Leiterbahnen, die an die Bauteiloberfläche gedrückt werden.

Werkzeug und Einleger

Der gleiche Effekt kann im Werkzeug zu einem vorzeitigen Versagen führen, wenn schlanke Segmente, Kerne oder Schieber im Werkzeug durch den Schmelzestrom oder beim Umschalten auf Nachdruck deformiert werden. Die resultierenden Spannungsspitzen bei jedem Schuss können schon nach verhältnismäßig niedrigen Stückzahlen zum Bruch führen. Auch für diesen Fall liegen eigentlich alle Daten vor. Der zeitliche Druckverlauf auf der Werkzeugwand sowie die Werkzeuggeometrie. Frühzeitig erkannt lassen sich solche Probleme häufig mit relativ einfachen Maßnahmen vermeiden.

Anhand dieser ausgewählten Beispiele sollte die Bedeutung von in der Regel ohnehin verfügbaren Prozessdaten für die Auslegung und Entwicklung deutlich geworden sein. Insbesondere wenn die Struktur- und die Spritzgußsimulation bereits (separate) Teile des Entwicklungsprozesses sind, ist der erforderliche Aufwand für eine integrative Simulation mit Converse und S-Life Plastics überschaubar, der Nutzen kann aber erheblich sein.

Autor

Dr. Marcus Stojek ist Geschäftsführer bei der PART Engineering GmbH, Bergisch Gladbach

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