Research Partner Motivation
Ascend Performance Materials ist ein weltweit führender Hersteller von Spezialmaterialien und Chemikalien mit besonderem Schwerpunkt auf Nylon. Das Unternehmen wurde im Jahr 2009 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Houston, Texas, USA.
Der Übergang von herkömmlichen Verbrennungsmotoren zu Elektrofahrzeugen stellt die Automobilhersteller vor eine besondere Herausforderung: das Auftreten von Geräuschen mit höheren Frequenzen, die von Elektromotoren, Getrieben und zugehörigen Komponenten erzeugt werden. Während herkömmliche Methoden Lärm, Vibrationen und Geräusche bis zu einer Frequenz von etwa 300 Hz wirksam dämpfen, arbeiten Elektrofahrzeuge mit zehnmal höheren Frequenzen. Eine mögliche Lösung für dieses Problem liegt in der Verwendung von Kunststoffen anstelle von Metallen. Faserverstärkte Kunststoffe, die aufgrund ihres hohen Glasanteils für ihre Festigkeit und Steifigkeit bekannt sind, bieten vielversprechende Alternativen.
Die mechanische Eigenschaften dieser Materialien ist jedoch eng mit der Faserorientierung innerhalb der Komponenten verbunden, was eine große Herausforderung darstellt, insbesondere bei der Bewertung der zyklischen Festigkeit (Lebensdauer). In diesem Beitrag werden zwei verschiedene Methoden zur Bewertung der Ermüdungsfestigkeit untersucht und am Beispiel eines neu entwickelten Materials und einer Testplattform von Ascend Performance Materials veranschaulicht. Das glasgefüllte AVS-Materialportfolio von Vydyne Anti-Vibration System Technology | Ascend Performance Materials (ascendmaterials.com), das speziell dafür entwickelt wurde, Geräusche, Vibrationen und Rauheit zu mindern und gleichzeitig die erforderliche Steifigkeit und Festigkeit für Elektrofahrzeugstrukturen zu gewährleisten, dient in diesem Zusammenhang als Fallstudie.
Vorgehen
Ascend hat eine Gruppe von faserverstärkten PA66-Typen mit besonders guten Dämpfungseigenschaften entwickelt. Eine höhere Dämpfung verbessert zwar die Leistung des Bauteils, verringert aber im Allgemeinen die zulässige Prüffrequenz noch weiter.
Ein spezielles Testbauteil wurde unter statischen und zyklischen Belastungsbedingungen getestet. (obwohl untersucht, werden NVH und Akustik hier nicht behandelt). Bild 1 zeigt den im Versuchsaufbau verwendeten Probeköper für zyklische Belastung.
Im Folgenden werden zwei unterschiedliche Ansätze vorgestellt. Ausgangspunkt des Nachweises ist dabei einmal eine FE-Simulation unter Verwendung eines isotropen Materialmodells und einmal die aufwändigere Variante mit Berücksichtigung der lokalen Faserorientierungen und einem anisotropen Materialmodell.
Isotropes Materialmodell
Als Materialdaten stehen hier nur die Ergebnisse aus einem quasistatischen Zugversuch zur Verfügung. Das entsprechende Materialmodell wird als elastisch-plastisches Modell aus der Spannungs-/ Dehnungskurve erstellt. Zur Abschätzung der zyklischen Festigkeit für 107 Lastwechsel unter rein wechselnder Last wird das Verfahren nach Oberbach [1] verwendet. Bild 2 zeigt exemplarisch die auf diese Weise abgeschätzten und gemessenen Wechselfestigkeiten für zwei Werkstoffe aus einer vorherigen Untersuchung. Das Verfahren ist in [2] beschrieben (Kap. 6.3). (siehe auch: Abschätzung von zyklischen Festigkeiten für Kunststoffe).
Bild 3 zeigt die auf diese Weise abgeschätzten Wöhlerkurven für rein wechselnde und schwellende Last im Vergleich zu den entsprechenden Messwerten.
Mit den aus der FEM-Simulation ermittelten Mittelspannungen lassen sich dann die jeweils zulässigen Spannungsamplituden bestimmen. Der zyklische Auslastungsgrad aBK ergibt sich dann als Verhältnis der auftretenden zur zulässigen Spannungsamplitude. Je nach Zähigkeit des Werkstoffes wird dabei ein Vergleichsauslastungsgrad bestimmt (ähnlich von-Mises) oder der maximale Wert der Hauptspannungskomponenten ausgewertet.
Die Bestimmung der Mittelspannungen und Spannungsamplituden an jedem Knoten, die Berücksichtigung der Mehraxialität und ggf. anderer, festigkeitsmindernder Faktoren erfolgen in der Software S-Life Plastics natürlich automatisiert und werden hier nicht näher beleuchtet.
Bild 4 zeigt das Ergebnis eines solchen zyklischen Festigkeitsnachweises für den betrachteten Probekörper. In der Simulation wurden hier unterschiedliche Lastamplituden aufgeprägt. Der Nachweis erfolgte exemplarisch für drei unterschiedliche Lasthöhen bei 105 Lastwechseln. Im Bild 4 dargestellt sind 75%, 100% und 115% der im Versuch ermittelten Versagenslast.
Bereits bei 75% der kritischen Last liegen lokale Bereiche in der kritischen Bauteilkerbe oberhalb eines Auslastungsgrades von 1. Inwieweit dieses werkstoffliche Versagen auch als Bauteilversagen im Sinne eines Bruches interpretiert werden kann, ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Der maximal auftretende Auslastungsgrad im linken Bild beträgt 143%. Die im Versuch gemessene Versagenslast zeigt (Bild Mitte) eine durchgängige Überlastung im Radius, mit einem Maximalwert von 335%.
Ohne Frage würde man das Nachweisergebnis als konservativ bezeichnen. Die Versagenslast wird unterschätzt. Dennoch wird die kritische Position im Bauteil richtig erkannt und die zulässige Lasthöhe in ungefährer Größe richtig vorhergesagt. In Anbetracht der vorhandenen Eingangsdaten ist sicherlich ein gutes Ergebnis.
Anisotropes Materialmodell
Unter Berücksichtigung der lokalen Faserorientierungen aus einer vorgeschalteten Füllsimulation lässt sich z.B. mit Hilfe von Converse und MatScape ein anisotropes Materialmodell in der Struktursimulation verwenden. Die auftretenden Spannungen liegen dann an jedem Punkt des Bauteils im Faserkoordinatensystem vor. Steifigkeit (und Festigkeit) hängen lokal von Faserrichtung und Orientierungsgrad ab.
Bild 5 zeigt exemplarisch die (in flow) Spannungs-/Dehnungskurven für ein repräsentatives Volumenelement (RVE) mit unterschiedlichen Orientierungsgraden. Das in MatScape verwendete, phänomenologische Materialmodell (Hill) bestimmt die Modellparameter Rij so, dass das jeweilige Materialverhalten durch Skalierung aus einer gemessenen Referenzkurve approximiert werden.
Somit liegen nach Kalibrierung des anisotrop elastisch-plastischen Materialmodells die statischen Festigkeiten für jede Richtung und jeden Orientierungsgrad vor. Dies ist direkt vergleichbar mit der Situation im isotropen Fall oben.
Wesentlicher Unterschied im anisotropen Fall ist die je Spannungskomponente unterschiedliche Festigkeit (statisch und zyklisch). Eine Bewertung z.B. der von-Mises oder der Hauptspannung ist hier nicht mehr möglich, dass die Richtungsinformationen in den Spannungsinvarianten nicht mehr vorhanden sind. Stattdessen sind die Auslastungsgrade der einzelnen Spannungsanteile separat gegen die jeweiligen Festigkeiten zu bewerten. Erst anschließend können die komponentenweisen Auslastungsgrade zu einem Gesamtwert verrechnet werden. Dies erfolgt hier versuchsweise mit dem Verfahren nach Hill (siehe Bild 6). Dabei wird angenommen, dass die aus den statischen Kurven ermittelten R-Faktoren Rij auch auf die zyklischen Festigkeiten der jeweiligen Spannungskomponente anwendbar sind.
Wie im isotropen Fall wird der versagenskritische Ort am Bauteil richtig erkannt (siehe Bild 7). Der zyklische Auslastungsgrad aBK wird hier erstmalig bei Erreichen der im Versuch gemessenen Versagenslast überschritten (siehe Bild 8 Mitte). Der Verlauf des Auslastungsgrades entlang des Radius unterscheidet sich dabei von dem des isotropen Nachweises. Die zeigt den Einfluss der lokalen Faserorientierung. Insgesamt stellt sich der anisotrope Nachweis als weniger konservativ dar und liegt, je nach Interpretation, näher an den Versuchsergebnissen.
Zusammenfassung und Fazit
Auch unter alleiniger Verwendung der üblicherweise vorhandenen Werkstoffdaten aus Kurzzeit Zugversuchen lassen sich im vorliegenden Fall sinnvolle Abschätzungen zur Lebensdauer von Kunststoffbauteilen unter zyklischer Last machen. Dabei zeigt sich die isotrope Vorgehensweise auf Basis des Ansatzes nach Oberbach als deutlich konservativer. Im Gegensatz dazu zeigt die anisotrope Methode bis fast 100 % Last keine Anzeichen eines Überschreitens der Auslegungsgrenze. Dies unterstreicht die größere Genauigkeit des anisotropen Ansatzes, der auch zusätzliche Gewichtseinsparungen bei der Konstruktion ermöglicht. Beide Vorgehensweisen sind weiterhin Gegenstand von Untersuchungen. Sie werden mittelfristig in die Methodik von S-Life Plastics einfließen. Die grundsätzliche Problematik, von einem lokalen, werkstofflichen Versagen auf das endgültige Bauteilversagen zu schließen besteht allerdings weiterhin.
Autoren:
Vahid Mortazavian, Global CAE Manager, Ascend Performance Materials, Royal Oak, MI, USA
Marcus Stojek, Managing Director, PART Engineering GmbH, Bergisch Gladbach, Germany
Sascha Pazour, Simulation and Sales Engineer, PART Engineering GmbH, Bergisch Gladbach, Germany
Literatur
[1] Karl Oberbach, „Berechnung von Kunststoff-Bauteilen, Berechnungsmethoden und zulässige Werkstoffanstrengungen“, in Tagungsband Konstruieren mit Kunststoffen, 11. Konstruktions-Symposium der DECHEMA, Frankfurt/Main, 1981, Bd. 91, S. 181–196.
Ein kommentierter Nachdruck in pdf-Format ist hier kostenfrei erhältlich.
[2] M. Stommel, M. Stojek, und W. Korte, FEM zur Berechnung von Kunststoff- und Elastomerbauteilen, 2. Aufl. München: Carl Hanser Verlag, 2018.
Available only in German language here.